Nachhaltigkeit ist zwar längst ein zentrales Thema in der Versicherungsbranche, Vermittler*innen sprechen es aber gegenüber Kund*innen kaum an. Das ist ein zentrales Ergebnis des zweiten Teils der Studienreihe „Policen für den Planeten. Nachhaltige Versicherungsprodukte zwischen Nachfragevakuum und Profilierungschance“ der Digitalberatung elaboratum und der Universität St. Gallen. Die Studie beleuchtet die wichtige Rolle von Versicherungsvermittler*innen bei der Etablierung nachhaltiger Versicherungsprodukte und gibt Einblicke in die Beratungsrealität. Während der erste Teil der Studie zeigte, dass es eine relevante nachhaltigkeitsaffine Kundengruppe und somit Marktpotenzial gibt, geht die aktuelle Untersuchung der Frage nach, wie gut es Vermittler*innen gelingt, die steigenden Anforderungen nachhaltig orientierter Kund*innen zu erfüllen. Es zeigt sich: In der Beratung bleibt Potenzial ungenutzt.
Nachhaltigkeit in der Beratung: Ein Henne-Ei-Problem?
Die Studie basiert auf 48 Mystery-Shopping-Beratungen in Deutschland und der Schweiz. Die zentralen Erkenntnisse belegen eindeutig den Handlungsbedarf in der Beratung:
- Beraterabhängigkeit: Ob und wie Nachhaltigkeit in der Beratung thematisiert wird, hängt stark von der Kompetenz und der Einstellung der Vermittler*innen ab. Einheitliche Standards fehlen oft.
- Das Henne-Ei-Dilemma: Vermittler*innen sprechen Nachhaltigkeit selten an, wenn keine klar definierten Produkte verfügbar sind – doch ohne Nachfrage entstehen solche Produkte nur langsam.
- Produktbezogene Unterschiede: Während Nachhaltigkeit bei fondsgebundenen Rentenversicherungen aufgrund regulatorischer Vorgaben durchaus in der Beratung thematisiert wird, bleibt das Thema bei Personen- und Sachversicherungen oft außen vor.
- Unzureichende Umsetzung der IDD-Anforderungen: Trotz der verpflichtenden Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen bei Versicherungsanlageprodukten (IDD) wird diese in vielen Fällen nur oberflächlich oder gar nicht umgesetzt.
- Fehlende Proaktivität: Nachhaltigkeit wird meist erst dann angesprochen, wenn Kund*innen explizit nachfragen.
Versicherer stehen vor einer doppelten Herausforderung
Die Ergebnisse des zweiten Teils der Studienreihe verdeutlichen, dass die Etablierung nachhaltiger Versicherungspolicen auch, aber nicht nur eine Frage der Produktentwicklung ist. „Unser ‚Mystery Shopping’ zeigt auf, wo die Ursachen für das stiefmütterliche Dasein von nachhaltigen Versicherungspolicen liegen: In einem stark stationär geprägten Markt kommt den Berater*innen eine zentrale Bedeutung zu, der sie nicht ausreichend nachkommen. Es braucht daher bessere Schulungen für den Vertrieb und Munition in Form von innovativen Produktansätzen“ sagt Dr. Philipp Spreer, Studienautor und Geschäftsführer bei elaboratum. Co-Autor Martin Fischer sieht Chancen für neue Kundengruppen und ergänzt: „Nachhaltigkeit wird in der Versicherungsberatung uneinheitlich kommuniziert, ein ungenutztes Potenzial. Klare Produkte und eine gezielte Zielgruppenansprache bieten die Chance, neue Kundensegmente zu erschließen und sich am Markt zu differenzieren.”
An der Erstellung dieses Whitepapers waren folgende Expert*innen ebenfalls beteiligt: Jospéhine Chamoulaud (Smile Insurances), Andreas Dettwiler (GVB Privatversicherungen), Marco Gottschling (ALH Gruppe), Tobias Lux (Helsana-Gruppe), Evi Popp (neue leben Lebensversicherung), Manuel Straub (AXA) und Reto Saurenmann (CSS). Ihre Fachkenntnisse und branchenspezifischen Perspektiven flossen in die inhaltliche Ausarbeitung ein.
Drei Teile der Studienreihe – praxisorientierte Erkenntnisse für die Branche
Die Studienreihe „Policen für den Planeten“ untersucht die Herausforderungen und Chancen nachhaltiger Versicherungen in mehreren Dimensionen:
- Teil 1: Markt- und Kundenperspektive – gibt es eine nachhaltige Versicherungszielgruppe?
- Teil 2: Vertriebsperspektive – wie gehen Vermittler*innen mit dem Thema Nachhaltigkeit um?
- Teil 3: Praxisempfehlungen – wie lassen sich nachhaltige Produkte erfolgreich im Markt etablieren? (Veröffentlichung Juni 2025)
Die aktuelle Studie „Policen für den Planeten – Teil 2: Vermittlerperspektive“ kann hier kostenlos heruntergeladen werden: www.elaboratum.de/publikationen/policen-fuer-den-planeten/
Bildmaterial
(Bildnachweis: elaboratum)
(Bildnachweis: Universität St. Gallen)
